BGV C 11 / DGUV Vorschrift 29

Steinbrüche, Gräbereien und Halden

Inhaltsverzeichnis

§ 1 – Geltungsbereich

(1) Diese Unfallverhütungsvorschrift gilt für Steinbrüche, Gräbereien und Halden im Bereich der übertägigen Mineralgewinnung.

(2) Diese Unfallverhütungsvorschrift gilt nicht für

  1. die Tätigkeiten zur Weiterverarbeitung der gewonnenen Mineralien,
  2. die Mineralgewinnung durch Bohrungen,
  3. sonstige Abgrabungen.

§ 2 – Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Unfallverhütungsvorschrift sind bzw. ist

1. Steinbrüche Arbeitsstätten, in denen Festgestein aus dem Gebirgsverband gelöst wird,
2. Gräbereien Arbeitsstätten, in denen Boden und Lockergestein durch Abgraben gewonnen werden,
3. Halden Arbeitsstätten, in denen künstliche Aufschüttungen erstellt und abgetragen werden,
4. Arbeitsstätten alle Örtlichkeiten, die zur Einrichtung von Arbeitsplätzen vorgesehen sind und die Anlagen der übertägigen mineralgewinnenden Betriebe umfassen. Hierzu gehören auch Verkehrswege sowie Unterkünfte, zu denen die Versicherten im Rahmen ihrer Arbeit Zugang haben,
5. Abraum das Erdreich, Wurzelwerk, lose Gestein und sonstiges Material, das auf oder zwischen dem nutzbaren Gestein, Boden oder Haldenmaterial lagert,
6. Gefahrbereich diejenige Bereiche vor Abraum- und Abbauwänden, in denen mit einer Gefährdung durch Steinfall oder Abrutschen von Massen zu rechnen ist sowie alle Bereiche, in denen Abrutschgefahr besteht,
7. Fallbereich der Teil eines Gefahrbereiches, in dem eine unmittelbare Gefährdung durch Steinfall oder Abrutschen von Massen besteht,
8. Fördergut das aus der Lagerstätte gelöste Material sowie das von der Halde entnommene und auf Halde zu schüttende Material.

§ 3 – Leitung, Aufsicht, Koordination

(1) Der Unternehmer darf die Leitung von Steinbrüchen, Gräbereien und Halden nur Personen übertragen, die über die erforderlichen Fähigkeiten und Qualifikationen verfügen.

(2) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß die Arbeitsstätten durch Aufsichtführende beaufsichtigt werden.

(3) Der Unternehmer kann die Leitung und Aufsicht der Arbeitsstätten selbst übernehmen, soweit er die Forderungen an die Qualifikation erfüllt.

(4) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß Arbeiten mit besonderen Gefahren nur von Versicherten durchgeführt werden, die über die besonderen Arbeits- und Verhaltensweisen unterwiesen wurden.

(5) Vergibt der Unternehmer Arbeiten an andere Unternehmer, dann hat er, soweit dies zur Vermeidung einer möglichen gegenseitigen Gefährdung erforderlich ist, eine Person zu bestimmen, die die Arbeiten koordiniert. Er hat dafür zu sorgen, daß diese Person Weisungsbefugnis gegenüber seinen Auftragnehmern und deren Beschäftigten hat. Die Beauftragung hat schriftlich zu erfolgen.

§ 4 – Anweisung, Übung

(1) Der Unternehmer hat für jeden Arbeitsbereich schriftliche Anweisungen über die Vorgehensweisen zu erstellen, die zur Gewährleistung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Versicherten und eines sicheren Einsatzes der Betriebsmittel einzuhalten sind.

(2) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß Sicherheitsübungen sowie Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die zur Gewährleistung der Sicherheit und Gesundheit dienen, in angemessenen

§ 5 – Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument

(1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß ein Dokument über Sicherheit und Gesundheitsschutz erstellt wird.

(2) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß das Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument vor Aufnahme der Arbeit erstellt und überarbeitet wird, wenn an den Arbeitsstätten oder Arbeitsverfahren wichtige Änderungen, Erweiterungen oder Umgestaltungen vorgenommen werden.

(3) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß das Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument in der Arbeitsstätte verfügbar ist.

§ 6 – Meldepflicht

Der Unternehmer hat gefährliche Vorkommnisse den zuständigen Stellen unverzüglich zu melden.

§ 7 – Kommunikations-, Warn- und Alarmsysteme

Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß an jeder Arbeitsstätte die erforderlichen Alarm- und sonstigen Kommunikationssysteme vorhanden sind, die im Bedarfsfall die Einleitung unverzüglicher Hilfs-, Evakuierungs- und Rettungsmaßnahmen ermöglichen.

§ 8 – Allgemeines

Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß Steinbrüche, Gräbereien und Halden entsprechend den Bestimmungen des Abschnitts IV beschaffen und eingerichtet sind.

§ 9 – Wände

Wände sind so anzulegen und zu unterhalten, daß Versicherte durch Abrutschen von Massen nicht gefährdet werden können. Dabei sind alle Einflüsse, welche die Standfestigkeit des Materials beeinträchtigen können, zu berücksichtigen.

§ 10 – Sohlen

(1) Übersteigt die Mächtigkeit des abzutragenden Abraums oder des abzubauenden Materials die zulässige Wandhöhe, sind Sohlen anzulegen.

(2) Sohlen müssen entsprechend der Größe und Beschaffenheit der Lade- und Fördergeräte und deren Einsatzart so breit sein, daß ein sicherer Betrieb gewährleistet ist.

(3) Rückt der Abbau gegen stillgelegte Wände vor, müssen die Sohlen in einer Breite erhalten bleiben, daß sie sicher geräumt werden können.

(4) In Gräbereien können die Sohlen entfallen, wenn die Neigung der Wände 60° (1:0,58) oder weniger beträgt; dabei dürfen die in § 15 genannten Wandhöhen überschritten werden.

§ 11 – Verkehrswege

(1) Verkehrswege müssen so angelegt, bemessen und beschaffen sein, daß ein sicheres Benutzen gewährleistet ist.

(2) Auf Fördersohlen müssen Maßnahmen gegen das Überfahren von Bruch-, Gruben- und Haldenrändern getroffen sein. Abweichungen sind zulässig, wenn dafür gesorgt ist, daß die Fahrzeuge von den Bruch-, Gruben- und Haldenrändern so weit entfernt bleiben, daß keine Absturzgefahr besteht.

(3) Führen Fahrstraßen an Bruch-, Gruben- und Haldenrändern vorbei, müssen Maßnahmen gegen deren Überfahren, insbesondere durch Leitplanken, Freisteine, Schutzwälle oder Schrammborde, getroffen sein.

(4) Werden Arbeitsstätten mit Kraftfahrzeugen oder Maschinen befahren, hat der Unternehmer die erforderlichen Verkehrsregelungen festzulegen und für eine entsprechende Kennzeichnung zu sorgen.

§ 12 – Abraum

(1) Auf dem Abraum stehende Bäume sind zu entfernen, bevor der Abtrag des Abraums das Wurzelwerk erreicht.

(2) Der Abraum ist zu beseitigen, bevor mit der Gewinnung des nutzbaren Materials begonnen wird.

(3) Massen, die sich aus dem Abraum lösen, dürfen nicht auf Arbeitsplätze oder Verkehrswege fallen können.

(4) Zwischen dem Fuß des Abraums und der Vorderkante des freigelegten Materials muß ein Schutzstreifen vorhanden sein.

(5) Bei der Beseitigung des Abraums von Hand muß die Breite des Schutzstreifens mindestens der halben Abraumhöhe entsprechen, darf jedoch 1,5 m nicht unterschreiten.

(6) Bei maschineller Abraumbeseitigung müssen die Schutzstreifen bei Arbeiten im

  1. Hochschnitt entsprechend den Lade- und Fördergeräten und deren Einsatzart so breit angelegt und erhalten werden, daß für diese keine Absturzgefahr besteht,
  2. Tiefschnitt mindestens 3 m breit sein.

§ 13 – Wandhöhen

(1) Beim Wegladen von Hand dürfen die Abbauwände nicht höher als 12 m sein.

(2) Beim maschinellen Wegladen dürfen die Wände nicht höher als 30 m sein.

(3) Bei maschineller Gewinnung im Hochschnitt darf die Höhe der Abbauwand die Reichhöhe des Gewinnungsgerätes, die der größten Arbeitshöhe entspricht, nicht überschreiten.

§ 14 – Wandneigungen

(1) Beim Wegladen von Hand müssen die Abbauwände auf 60° (1:0,58) oder weniger abgeböscht sein.

(2) Abweichend von Absatz 1 dürfen die Abbauwände bei geschichtetem oder bankförmigem Gestein bis zur Senkrechten anstehen, wenn die Neigung der Schichten oder Bänke weniger als 10° beträgt.

(3) Beim maschinellen Wegladen müssen die Abbauwände auf 60° (1:0,58) oder weniger abgeböscht sein.

(4) Abweichend von Absatz 3 dürfen die Abbauwände bei Anwendung des Großbohrlochsprengverfahrens, bei der Gewinnung von Werkstein und der maschinellen Gewinnung bis zur Senkrechten anstehen.

(5) Abweichend von den Absätzen 1 und 3 dürfen Abbauwände, die nicht höher als 12 m sind, bis zur Senkrechten anstehen, wenn Bohrlochsprengungen durchgeführt werden, deren Bohrlöcher von der oberen bis zur nächst tieferen Sohle reichen.

§ 15 – Wandhöhen

(1) Bei Gewinnung von Hand dürfen die Abbauwände nicht höher als 2 m sein.

(2) Bei maschineller Gewinnung im Hochschnitt darf die Höhe der Abbauwand die Reichhöhe, die der größten Arbeitshöhe entspricht,

  • von Eimerketten-, Schaufelrad- und Greifbaggern nicht,
  • der übrigen Gewinnungsgeräte um nicht mehr als 1 m

überschreiten.

§ 16 – Wandneigungen

(1) Bei Gewinnung von Hand dürfen Abbauwände bis zu einer Höhe von 1,25 m senkrecht anstehen. Höhere Wände müssen auf 60° (1:0,58) oder weniger abgeböscht sein.

(2) Bei der Gewinnung im Hochschnitt mit Eimerkettenbaggern darf ein Böschungswinkel von 60° (1:0,58) nicht überschritten werden.

(3) Bei der Gewinnung im Tiefschnitt muß

  1. eine Böschung von 60° (1:0,58) oder weniger eingehalten werden und
  2. der Abstand des Gewinnungsgerätes vom Grubenrand der Standfestigkeit des Materials entsprechend so bemessen sein, daß für das Gewinnungsgerät keine Absturzgefahr besteht.

§ 17 – Wandhöhen und -neigungen

(1) Für Wandhöhen und -neigungen von Halden gelten die §§ 15 und 16.
(2) Abweichend von § 15 sind bei Halden größere Höhen zulässig, wenn das Material bei der Entnahme stetig von selbst zufließt, ohne daß eine Gefährdung durch das Nachrutschen von Massen entsteht.

§ 18 – Aufsicht

Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß besetzte Arbeitsplätze mindestens einmal während jeder Schicht von einem Aufsichtführenden aufgesucht werden.

§ 19 – Alleinarbeit

Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß

  1. bei Arbeiten von Hand in oder vor Abraum- und Abbauwänden mindestens zwei Personen beschäftigt sind oder sich wenigstens eine zweite Person im Sichtbereich befindet,
  2. beim Herstellen von Bohrlöchern am Fuße von Abraum- und Abbauwänden sich wenigstens eine zweite Person im Sichtbereich befindet; dies gilt nicht, wenn Bohrmaschinen eingesetzt werden, die ein Führerhaus mit Steinschlagschutzdach besitzen und mit einer Anbohrhilfe ausgerüstet sind.

§ 20 – Unterhöhlungen, Überhänge

(1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß bei Wänden und Haufwerken keine Unterhöhlungen oder Untersprengungen vorgenommen werden. Er hat Unterhöhlungen und Überhänge beseitigen zu lassen, bevor unterhalb von ihnen weitergearbeitet wird.

(2) Abweichend von Absatz 1 sind in Steinbrüchen mit massigem Gestein Überhänge, die durch natürliche Kluftflächen hervorgerufen werden, zulässig.

(3) Die Versicherten dürfen Wände und Haufwerke nicht unterhöhlen, überhängen lassen oder untersprengen.

§ 21 – Prüfen von Abraum- und Abbauwänden

(1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß Abraum- und Abbauwände über Arbeitsplätzen und Verkehrswegen vor Beginn der Arbeit und nach Bedarf auf das Vorhandensein von losen Massen oder Steinen geprüft und erforderlichenfalls beräumt werden.

(2) Zusätzlich zu Absatz 1 muß eine Prüfung und Beräumung erfolgen:

  1. nach starken Regen- oder Schneefällen,
  2. bei einsetzendem Tauwetter,
  3. nach dem Lösen größerer Massen,
  4. nach jeder Sprengung.

§ 22 – Arbeiten in oder vor Abraum- und Abbauwänden

(1) Jeder in oder vor Abraum- und Abbauwänden beschäftigte Versicherte hat sich vor Beginn der Arbeit und wiederholt während der Schicht davon zu überzeugen, ob an seinem Arbeitsplatz der Absturz von Massen oder einzelnen Steinen droht. Trifft dies zu, hat er alle Personen aufzufordern, den Fallbereich zu verlassen; danach ist die Wand sofort zu beräumen oder dem Aufsichtführenden Meldung zu erstatten. Erst nach Beseitigung der Gefahr darf die Arbeit wieder aufgenommen werden.

(2) Wird in oder vor Abraum- und Abbauwänden gearbeitet, hat der Unternehmer dafür zu sorgen, daß sich weitere Personen nicht im Gefahrbereich solcher Arbeitsplätze aufhalten.

§ 23 – Entladestellen

(1) Werden an Absturzkanten Entladestellen für Fahrzeuge eingerichtet und werden Materialien über die Absturzkante gekippt, hat der Unternehmer dafür zu sorgen, daß diese durch feste, mit dem Untergrund verankerte Anschläge gesichert werden.

(2) Abweichend von Absatz 1 kann auf den Anschlag verzichtet werden, wenn die Entladestelle 5 m vor der Absturzkante eingerichtet und das entladene Material mit geeigneten Maschinen abgeschoben wird. Das Abschieben hat möglichst rechtwinklig zur Absturzkante zu erfolgen.

(3) Unterhalb der Entladestellen sind Arbeiten nur zulässig, wenn ein weiteres Abkippen oder Abschieben von Material auszuschließen ist.

§ 24 – Absturzdrohende Massen oder Steine

(1) Können Massen oder Steine, die abzustürzen oder abzurutschen drohen, nicht sofort beseitigt werden, hat der Unternehmer den Fallbereich abzusperren. Das Betreten abgesperrter Stellen ist verboten. Dies gilt nicht für Versicherte, die mit dem Beseitigen der Massen oder Steine beauftragt sind.

(2) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß Arbeiten in oder vor Abraum- und Abbauwänden unterhalb absturzdrohender Massen oder Steine unterbrochen werden.

§ 25 – Rißbildungen

Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, daß stärkere Rißbildungen oberhalb von Arbeitsplätzen, die Gebirgsbewegungen vermuten lassen, mit Hilfe eingelassener Markierungen beobachtet und über die Beobachtungen Aufzeichnungen geführt werden. Kommt das Gebirge in Bewegung, sind die im Gefahrbereich liegenden Arbeitsplätze rechtzeitig zu räumen.

§ 26 – Schutz anderer Versicherter vor Splittern

(1) Die Versicherten müssen sich bei Schlagarbeiten am Gestein so stellen oder setzen, daß sie die in der Nachbarschaft tätigen und vorbeigehenden Personen durch Stein- oder Stahlsplitter nicht gefährden und auch selbst nicht durch Splitter verletzt werden können, die von benachbarten Arbeitsplätzen ausgehen können.

(2) Der Unternehmer hat im Bedarfsfall splittersichere Schutzwände zur Verfügung zu stellen und gebrauchsfähig zu erhalten.

§ 27 – Gewinnung mit Schrappern

Bei der Gewinnung mit Schrappern dürfen Versicherte die Schrapperbahn nur bei Windenstillstand und nur dort betreten, wo die anstehenden Wände auf 60° (1:0,58) oder weniger abgeböscht sind.

§ 28 – Ordnungswidrigkeiten

Ordnungswidrig im Sinne das § 209 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig den Bestimmungen

  • des § 3 Abs. 2, 5 Satz 2 oder 3, § 4 Abs. 1 oder § 5,
  • des § 8 in Verbindung mit § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 2 Satz 1, Absatz 3 Satz 1, § 12 Abs. 1 bis 5, §§ 13, 14 Abs. 1 oder 3, § 15 oder § 16 Abs. 1 oder 2,
  • der §§ 18, 19 Nr. 1 oder 2 erster Halbsatz, § 20 Abs. 1 oder 3, § 22 Abs. 2, § 23 Abs. 1 oder 3, § 24 Abs. 1 Satz 1 oder 2, Absatz 2, §§ 25, 26 Abs. 1 oder § 27

zuwiderhandelt.

§ 29 – Inkrafttreten

Diese Unfallverhütungsvorschrift tritt am 1. April 19981 in Kraft. Gleichzeitig tritt die UVV „Steinbrüche, Gräbereien und Haldenabtragungen“ (VBG 42) vom 1. Oktober 1984, in der Fassung vom 1. Januar 1997 außer Kraft.